Fräulein Margarethe sitzt in ihrem Zimmerchen mit der kühlen Oktoberluft, den dunkelbraunen Tapeten mit den tausend gepressten goldenen Chrysanthemen und dem staubigen hellbraunen Thonofen mit den Goldlinien. Auf ihrem Antlitz liegen die Farben des »pleinair«. Sie schält mit einem goldenen Messerchen eine Isenbartbirne und reiht die feuchten saftigen Stückchen auf ein weisses Tellerchen. Dann steckt sie eins nach dem anderen in den Mund, lässt sie zerschmelzen, vergehen und feiert eine edle stille Orgie der Geschmacksnerven.
Um sie herum tobt die Schlacht. Thüren donnern, krachen, graue fetzige Standarten fliegen, das Regiment »Milchbau« stampft todesmuthig heran – – –. In diesem Augenblicke größter Not erzitterte die Luft von einer lauten Detonation und der Jaguar, dem eine Karabinerkugel das Herz durchbohrt hatte, brach wie vom Blitz getroffen zusammen. Kaum hundert Schritte vom Tatort schwebten leichte, weiße Rauchwölkchen über einer der Klippen; dort stand auf einem Felsblock, den Karabiner schußbereit erhoben, ein Mann. Er war kein Stammesgenosse des Verwundeten, sondern zeigte den stark ausgeprägten arischen Typus. Obgleich von der Sonne sehr gebräunt, war er nicht von brauner Hautfarbe; sein Antlitz zeigte weder die (infolge der tiefliegenden Augenhöhlen) breite Nase, noch die hervortretenden Backenknochen, die niedrige Stirne und die kleinen Augen der indianischen Rasse. Im Gegenteil! Sein Gesichtsausdruck zeugte von bedeutender Intelligenz und die hohe, von unzähligen Falten durchfurchte Stirne verriet den Denker. Die feindlichen Kanonen waren in seiner Phantasie nicht Kanonen, sondern Tabakspfeifen, aus denen ein unsichtbarer Raucher in einzelnen Wölkchen den Rauch in die Luft gehen ließ.
»Sieh mal, da hat er wieder einen Zug getan«, flüsterte Tuschin vor sich hin, als von dem gegenüberliegenden Berg ein Rauchwölkchen aufstieg und durch den Wind in Form eines Streifens nach links getrieben wurde. »Jetzt haben wir so einen kleinen Ball zu erwarten und müssen auch einen zurückwerfen.«
»Was befehlen Euer Wohlgeboren?« fragte der Feuerwerker, der neben ihm stand und hörte, daß er etwas murmelte.
»Ach, nichts Besonderes; nimm eine Granate ...«, antwortete er; endlich kam eine starke Tramontana und führte uns aus dem Zauberplatze heraus. Es war gegen Abend, die sinkende Sonne vergoldete rund umher die Gipfel der schönen Berge, der Somma glänzte, der Vesuv wirbelte Rauchwölkchen, und die herrliche Königsstadt lag in einem großen, großen Amphitheater hinter uns in den magischen Strahlen. Rechts war Ischia und links Capri; die Nacht senkte sich nach und nach und verschleierte die ferneren Gegenstände in tiefere Schatten. Nur Moskau lag vor unseren Blicken in herrlicher Morgenbeleuchtung, von leichten Rauchwölkchen aus den Kaminen und von friedlichem Glockengeläute umschwebt.
Lange, lange stand er so da, vom sinkenden Licht wie von einer Strahlengloriole umwoben, von der leichten Brise liebkosend umfächelt, dann öffnete er weit die Arme, als wollte er die majestätische Unendlichkeit vor sich umfassen, festhalten, an sein Herz drücken und ein tiefer Seufzer hob seine Brust. Und während sein Blick mit stolzer Genugtuung das herrliche Land überflog und sich dann in kühner Herausforderung zu den Himmelshöhen erhob, brach von seinen Lippen ein Ruf, ein Ruf, der sich aus seinem tiefinnersten Sein losgelöst hatte und sein wildes Begehren verriet – nach Freiheit, nach absoluter, unbegrenzter Ungebundenheit.
»Grüß dich Gott, Dirn«, sagte der Toni.
»Auch soviel«, entgegnete Helen.
Und wenn einst Alles in Trümmer sinkt und Asche, wird sich aus dem Schutt des Hauses noch das hellbraune Rauchwölkchen des Dienstbotenkaffee's friedlich emporschlängeln! Von fern aber hörte des langen Hans Sohn den Wind sausen und den Schnee brausen.