Heusenstamm bei Frankfurt am Main; 2010-02-21.
Befaßt uns nicht, die schon das Land erschaun
Im Winter weit, davor ein Schatten steht,
Des schwarze Schulter ragt im Abendgraun.Georg Heym : Die Morgue
Jetzt war es ganz still geworden. Eine schwadende Oellampe goß einen dickgelben Schimmer über die eckigen Kanten und Vorsprünge des Zimmer-Mobiliars, reichlich gemischt mit fetten, schwarzen Schatten. Der grüne Kachelofen in der Ecke strahlte noch eine behagliche Wärme aus. Ruhig ging das Tick-tack der heiser gewordenen Wanduhr weiter; und ruhig, in Gedanken verloren, schlappte der Alte in seinem losen, Schafpelz-gefütterten Hausrock auf und ab. Nordwestlich, in der Richtung nach dem Monte-Rosa, stand das den See begrenzende Vorgebirge in dunkeln blauschwarzen Massen, so wie es kurz nach Sonnenuntergang zu sein pflegt.
Stolpernd, zwischen Fallen und Aufstehen, folgte ihm der Kandidat und fühlte sich sehr erleichtert, als sein biederer, aber wortkarger Führer, nachdem der Weg ein wenig hügelauf geführt hatte, plötzlich stehenblieb und, wahrscheinlich mit der Pfeifenspitze, auf eine unregelmäßige Schattenmasse deutend, sagte: „Wen nicht große Zwecke in die Fremde treiben, der bleibt weit glücklicher zu Hause. Der große Weltgeist konnte nicht die ganze spröde Chaos-Masse zu Blumen für uns umgestalten; aber unserem Geist gab er die Macht.“
Ein in der Ferne rollender Wagen macht das übrige unhörbar. Die Figuren treten aus dem Schatten; ich sehe Ballputz unter den dunkelen Mänteln. Sie verschwinden um die Ecke, und ich schließe das Fenster. O ihr finstern Schatten des unsichtbaren Böhmerwaldes!